29.02.2016

»Starker Staat und aktive Bürger: gemeinsam unsere Werte verteidigen und Radikalisierung bekämpfen« – Regierungserklärung von Stanislaw Tillich am 29. Februar 2016

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

Sie, die Opposition im Sächsischen Landtag, haben einen Antrag auf unverzügliche Einberufung einer Sondersitzung gestellt. Mit Blick auf das morgen beginnende NPD-Verbotsverfahren am Bundesverfassungsgericht war es mir wichtig, dass wir schon heute klar Stellung beziehen können. Deshalb hat auch die Staatsregierung um Einberufung einer Sondersitzung nach Paragraph 77 Absatz 5 der Geschäftsordnung gebeten.

Die Ermittlungen zum Brand einer zukünftigen Asylbewerbereinrichtung in Bautzen und den fremdenfeindlichen Störungen haben die Behörden übernommen. Diese werden mit Hochdruck vorangetrieben. Wie zum Beispiel in Freital, wie in Meißen, und Heidenau wollen wir auch in Bautzen schnell aufklären und die Täter vor Gericht bringen.

Im Fall Clausnitz hat ein Ermittlungsteam den Sachverhalt umfassend aufgearbeitet und an die Staatsanwaltschaft übergeben. Am vergangenen Freitag hat der Sächsische Landtag im Rahmen seiner parlamentarischen Kontrollrechte seinerseits die Vorgänge in Clausnitz untersucht.

Meine Damen und Herren, gemeinsam müssen wir Demokraten die widerlichen und immer wieder stattfindenden rechtsextremen Umtriebe in unserem Land bekämpfen, zurückdrängen und stoppen.

Und, ohne Wenn und Aber: Sachsen sagt Nein zu Fremdenfeindlichkeit.

Die Ereignisse erschüttern mich als Christ und Politiker maßlos. Es geht unserem Land und der großen Mehrheit der Menschen gut. Es wird einem nichts geschenkt aber mit Eigenverantwortung und etwas Einsatz kann jeder aus seinem Leben etwas Sinnvolles und Zufriedenstellendes machen.

Auf der anderen Seite haben die Menschen viele Anstrengungen durch die tiefgreifenden Veränderungen seit 1990 erlebt. Die zunehmende Komplexität der Welt durch Globalisierung, Internet und Herausforderungen wie Kriege und Klimawandel und deren Folgen ist für viele nicht leicht.

Einige Menschen sind verunsichert und an den Rand gedrängt, weil sie sich benachteiligt oder schlecht behandelt fühlen. Die Lebensversicherung wirft keine Rendite ab, bei der Bank gibt es keine Zinsen, das Vertrauen in die Altersabsicherung schwindet, die Energiepreise und andere Lebenshaltungskosten steigen. Es ist aber nicht zu entschuldigen, wenn man darauf mit Fremdenfeindlichkeit reagiert oder, wenn man deshalb den extremen Rand stärkt, wo Rechtsradikale mit Hass und Gewalt ihre innere Verirrung und Verrohung an anderen, meist Schwächeren auslassen. Besonders abscheulich und menschenverachtend ist es, wenn sie sich dafür diejenigen aussuchen, die vor Krieg und Vertreibung geflohen sind.

Es ist ein jämmerliches und abstoßendes Verhalten, wenn Flüchtlinge attackiert, Unterkünfte angezündet und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht werden. Da werden Aufklärung, Freiheitskampf und Demokratisierung

hinweggespült. Der Humanismus wird durch Barbarei verdrängt. Dafür darf es keinen Raum in Sachsen geben. Dagegen muss es den Widerstand aller geben. Und wir müssen an die Ursachen ran und noch stärker unsere Werte verteidigen und die Radikalisierung bekämpfen.

Das »Nie wieder Krieg« muss zwangsweise in Deutschland auch heißen: Kein Rechtsradikalismus in unserem Land.

Die fremdenfeindlichen und rechtsextremen Ereignisse in Sachsen bilden eine lange Kette, die mich, die uns beschämt. Ja, es stimmt: Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus und es ist größer, als viele – ich sage ehrlich: auch ich – wahrhaben wollten.

Es sind wenige Menschen aber doch zu viele, die dem Rechtsradikalismus nicht widerstehen. Keiner wird so geboren. Aber zu vielen ist er vorgelebt worden oder sie lassen sich mit dumpfen Parolen verführen. Und zu viele Menschen stehen daneben oder sympathisieren damit auf dem Sofa. Mit einem schweigsamen Dulden, mit einem zustimmenden Nicken oder dem schnellen »Gefällt mir« auf Facebook legen auch sie die Axt an unsere Grund- und Werteordnung.

Ich habe im Juli hier im Plenum gesagt: »Rassismus ist der Nährboden für Verbrechen.« Dieser Nährboden ist das Fundament, um Menschen anzugreifen, unsere Werte zu verletzen und die Grundfesten unseres Staates zu zerstören. Deshalb müssen wir die Abwehrkräfte gegen den Rechtsextremismus verstärken.

Meine Damen und Herren, während von Bühnen gehetzt wird und Rechtsradikale randalieren, stehen viele Menschen in Sachsen dagegen auf oder setzen starke Willkommenszeichen. Sie sind fremdenfreundlich! Sie zeigen das »Sachsen mit Herz«, zu dem ich im September aufgerufen habe. Allen Bürgern und Initiativen die so handeln bin ich sehr dankbar.

Ich wehre mich daher dagegen, dass durch eine radikale Minderheit der gesamte Freistaat Sachsen in Misskredit gerät. Die übergroße Mehrheit der Sachsen sind engagierte Menschen, die anständig und redlich dieses Land wieder aufgebaut haben und es gesellschaftlich und demokratisch tragen.

Die Sachsen haben 1989 Freiheit und Demokratie erkämpft. Wir werden sie ebenso heute verteidigen. Wir Sachsen haben von der Hilfe anderer und deren Weltoffenheit profitiert. Wir wollen heute selbst hilfsbereit und weltoffen sein.

Mein Ziel ist es, dass ein starker Staat und aktive Bürger gemeinsam eine gesellschaftliche Mobilisierung in Sachsen schaffen, die unsere Werte verteidigt und Radikalisierung entschieden bekämpft. Das erreichen wir, wenn wir uns weiter um zukunftsfähige Arbeit, gute Bildung und umfassende Sicherheit für alle in unserem Freistaat Sachsen kümmern. Das erreichen wir, wenn wir bei der Integration den Dreiklang von Werten, Sprache und Teilhabe einhalten.

Meine Damen und Herren, mein Kompass ist ein schlichter aber damals wie heute wahrhafter Satz aus der Bergpredigt: »Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen.«

In ihm stecken unsere demokratischen Grundwerte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Freiheit und Würde des Anderen nicht antasten. Auf das Anderssein anderer nicht mit Ausgrenzung, sondern mit Toleranz reagieren.

Und vor allem: Im Anderen den Nächsten sehen und ihm helfen, wenn er Hilfe braucht. Und nach diesem Maßstab ist das Reden und Handeln einer Minderheit moralisch unanständig, politisch undemokratisch und extremistisch, und oft kriminell.

Es reicht zu fragen: Was würden wir erwarten, wenn wir Kriegsflüchtlinge wären und in einem fremden Land Zuflucht suchten? Nahrung, Unterkunft, medizinische Versorgung, vor allem aber: Achtung und eine würdevolle Behandlung. Nicht Hetzreden und Steinewerfer. Auch nicht, dass die Häuser, in denen wir vorübergehend leben sollen, angezündet werden.

Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit gegenüber jedem Menschen. Egal wo er herkommt und egal, wie lange er sich bei uns aufhalten wird.

Deshalb ist für jeden Demokraten klar: Solche Taten sind ein Angriff auf unsere Werte, auf unsere Grundordnung, ja auf uns selbst. Es ist ein Angriff auf alles was Sachsen, Deutschland und Europa ausmacht. Jeder solche Angriff ist einer zu viel, und alle Rede, die dazu anstiftet, ebenfalls. Wir alle gemeinsam müssen diese Angriffe abwehren. Radikalismus bekämpfen wir nicht mit Radikalismus. Vielmehr müssen Staat und Gesellschaft in Sachsen so stark sein, so überzeugend, so vertrauenswürdig, dass Rechtsextremismus sich nicht ausbreiten kann.

Ein in Deutschland weit bekanntes Bild dieser Geschlossenheit ist die Menschenkette am 13. Februar in Dresden. Alljährlich schaffen wir dort eine Einheit, ein gemeinsames Verteidigen unserer Werte, wie ich es mir überall und immer wünsche. Genau dieses Miteinander will ich stärken und vergrößern. Durch konkrete Politik für alle Menschen in Sachsen, damit sie wissen, wir kümmern uns um sie: Von der Ausbildung über die medizinische Versorgung bis zum 800-Millionen-Investionsprogramm für Kommunen. Wir kümmern uns, wenn in der Lausitz fast 1.000 Arbeitsplätze bei Bombardier verloren gehen sollen.

Und wir müssen den vielen Menschen, die mit der Flüchtlingspolitik hadern Gesprächsangebote machen, damit wir gemeinsame Antworten finden. Sonst suchen sie diese woanders. Dann stärken wir die Populisten und rechtsextremen Rattenfänger. Und genau das will ich nicht. Ich will Ministerpräsident aller Sachsen sein. Ich will zusammenführen, nicht ausgrenzen. Zusammenführen auf dem Boden von Moral, Sitte, Anstand, Demokratie und Recht.

Meine Damen und Herren, ich habe beim 25. Jubiläum uns Landtags angesichts der Gräben, die wir überall im Land spüren, und der Fremdenfeindlichkeit in Sachsen auf die Verletzlichkeit der Demokratie hingewiesen. Ich sehe für die Stärkung der Demokratie drei wesentliche Aufgaben:

Erstens: Wir müssen den Staat und die politische Bildung stärken.

Zweitens: Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft und einen intensiveren Dialog mit den Bürgern auf allen Ebenen.

Drittens: Wir brauchen eine erfolgreiche Integration und eine sachliche Debatte in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, die unserer humanitären Verantwortung und den Möglichkeiten und Grenzen unserer Gesellschaft gerecht werden.

Zum starken Staat: Es ist falsch, Sachsen vorzuwerfen, wir hätten nichts gegen Rechtsextremismus getan. Nach den ersten rechtsextremistischen Straftaten wurde 1991 die »Sonderkommission Rechtsextremismus« gebildet. Das 2013 gegründete »Operative Abwehrzentrum zur Ermittlung extremistisch motivierter Straftaten« hat mehrere hundert Ermittlungsverfahren gegen rechtsextremistisch motivierte Straftaten durchgeführt. Die weit überwiegende Mehrheit der Fälle ist aufgeklärt.

In der Justiz haben wir Sonderdezernate zur Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität eingerichtet. Eine Vielzahl von Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte ist aufgeklärt. In vielen Fällen sitzen Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Das ist das Schrittmaß welches ich erwarte: Ermitteln, anklagen und urteilen.

Das Internet hat sich zu einem Tatort entwickelt. Soziale Netzwerke sind zu Echoräumen von Fremdenhass und Extremismus geworden. Hier zeigt sich ein erschreckendes Bild geistiger Verrohung – die oft der Vorbote und Wegbereiter von Gewalt ist. Das ist nicht zu tolerieren. Deshalb verfolgen wir intensiv diese Fälle. Und überall in Sachsen sind zahlreiche Verurteilungen wegen rechter Hetze im Internet erfolgt.

Meine Damen und Herren, die Wirklichkeit in Sachsen zeigt uns, dass wir unseren Kampf gegen das Extreme und Radikale in unserer Gesellschaft noch mehr verstärken müssen. Der Staat muss deutlich Stärke zeigen und durch konsequente und schnelle Strafverfolgung und Verurteilung deutlich machen: Hier bei uns gibt es Null-Toleranz.

Durch das Gewaltmonopol des Staates müssen wir unsere Bürger wie auch die Menschen die zu uns nach Sachsen kommen schützen und rechtsfreie Räume verhindern. Dazu braucht es die personelle Verstärkung von Polizei und Justiz. Den geplanten Stellenabbau setzen wir aus. Mindestens 500 junge Polizeianwärter pro Jahr wird es schon beginnend in 2016 geben.

Mir ist es wichtig, dass gerade junge, gut ausgebildete Sachsen den Weg zur Polizei und Justiz und in die Verwaltung finden, damit wir mit neuen Ideen, starken Haltungen und einer Leidenschaft für das Heimatland die Aufgaben bewältigen können. Es geht zudem um die konkrete Arbeit der Polizei. So werden wir die mobilen Einsatz- und Fahndungsgruppen stärken. Die extremistische Szene muss spüren: Der Verfolgungsdruck auf sie hat sich erhöht und wird weiter zunehmen. Deshalb wollen wir die Effizienz der Gefahrenabwehr erhöhen und die Durchsetzungsfähigkeit der Polizei verbessern. Hier hinken wir im Ländervergleich hinterher, das muss sich ändern. Ich will dass unsere Polizisten die vergleichbaren gesetzlichen und technischen Möglichkeiten haben.

Neben dem Dank an unsere Polizistinnen und Polizisten für ihre Arbeit ist mir eines wichtig: Wir müssen die Autorität der Polizei stärken und den Respekt gegenüber Polizistinnen und Polizisten vergrößern.

Meine Damen und Herren, zu einem starken Staat gehört auch, sich gegen die Feinde der Demokratie zur Wehr zu setzen. Sachsen hat sich bereits frühzeitig für ein Verbot der NPD stark gemacht und den Anstoß für das Verfahren gegeben. Als Präsident des Bundesrates werde ich morgen den Antrag der Länder begründen.

Als Ministerpräsident habe ich persönlich erlebt, wie die NPD und ihre Anhänger gegen staatliche Einrichtungen und Amtspersonen hetzen. Sie wollen nichts anderes, als die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland beseitigen. Weil Rechtsextreme den Staat bekämpfen, dem wir dienen wollen, müssen wir die Rechtsextremen und ihre Sympathisanten bekämpfen.

Meine Damen und Herren, an der Schnittstelle zwischen Staat und aktiver Bürgerschaft arbeiten die Polizei, unsere Schulen, die Akteure der politischen Bildung und zahlreiche Projekte, die der Freistaat Sachsen seit Jahren fördert.

Eine entscheidende Rolle spielen die Mitarbeiter in der Verwaltung, Lehrer und Polizisten. Ich erwarte von ihnen, dass sie Anwälte des Staates, Verteidiger unseres Grundgesetzes und Vorbilder im Kampf gegen Radikalisierung und Extremismus sind. Ich bitte, dass sie aus innerer Überzeugung und demokratischem Dienstauftrag heraus, die richtigen Prioritäten setzen und entschieden handeln.

Gerade von uns im öffentlichen Dienst muss das Signal der Offenheit, der Unterstützung und der Rückendeckung für alle ausgehen, die sich um Demokratie und Weltoffenheit bemühen. Wir müssen Engagement ermöglichen und nicht verhindern.

Bei der Dankes-Feier haben mir Flüchtlinge und schon länger bei uns lebende Ausländer berichtet, dass sie nicht nur an Sprachproblemen in Verwaltungen und anderswo scheitern, sondern auch das Gefühl haben, dass ein unvoreingenommener Umgang mit Fremden schwer falle. Wenn das so ist, dann müssen wir das ändern. Wir wollen helfen, die Sprachkompetenzen zu verbessern und die Überzeugung befördern, dass wir für Menschen und keine abstrakten Vorgänge Dienstleistungen erbringen.

Ein wichtiger Lernort der Demokratie sind unsere Klassenzimmer. Deshalb wollen wir Lehrerinnen und Lehrer unterstützen und deutlich besser befähigen, unsere Werte- und Gesellschaftsordnung zu vermitteln, sich den tagesaktuellen Debatten zu stellen und Diskussionen mit den Schülern offensiv zu führen.

Wir werden daher die Lehrpläne anpassen, um noch mehr Platz für die politische Bildung im Unterricht zu schaffen. Schwerpunkt bilden dabei die Ober- und Berufsschulen. Grundsätzlich müssen wir bei der politischen Bildung darauf achten, dass wir

  • die richtigen Schwerpunkte setzen und die richtigen Zielgruppen erreichen.
  • moderne Methoden einsetzen und uns mit Partnern vernetzen.

Unser Ziel ist, dass aus starken Schülern starke Demokraten und weltoffene Sachsen werden. Ich wünsche mir, dass diese Bildungsziele durch die Erziehung im Elternhaus unterstützt werden.

Auf Landes- und kommunaler Ebene und in vielen Verbänden findet eine intensivierte politische Bildung statt, die wir weiter stärken werden. Zum Beispiel die Landeszentrale für politische Bildung. Sie alle leisten derzeit eine besonders wichtige und hilfreiche Arbeit. Dafür danke ich hier ausdrücklich!

Das vor zehn Jahren gestartete Landesprogramm »Weltoffenes Sachsen« wollen wir weiterentwickeln und seine Wirkung verbessern.

Meine Damen und Herren, allein ein starker Staat und Fördermittel reichen nicht, um den Kampf gegen die Radikalisierung zu gewinnen. Es braucht eine starke und aktive Zivilgesellschaft in Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen, Verbänden und Vereinen.

Auch jeder Einzelne ist in seinem täglichen Handeln gefragt: Es gilt, sich einzumischen, wenn der Kollege rechte Sprüche klopft, wenn die Nachbarin zu fremdenfeindlichen Demonstrationen geht oder Jugendliche statt im Sportverein sich lieber in rechten Kameradschaften die Zeit vertreiben.

Mit unseren beiden Extremismus-Konferenzen in Riesa und der Vier-Säulen-Strategie gehen wir den Weg, die Akteure in diesem Bereich besser zu unterstützen und zu vernetzen. Die Abwehrkräfte der Gesellschaft sind in Sachsen in den vergangenen Wochen noch einmal stärker geworden. Zum Beispiel in Bautzen, wo nach dem Brandanschlag eine Plakataktion auf der Friedensbrücke gegen Gewalt und für eine weltoffene Stadt durchgeführt wurde.

Ich selbst war in Bautzen und habe mit dem Bürgermeister, engagierten Bürgern, Feuerwehrleuten und Polizisten gesprochen, um deutlich zu machen: Die Stadt und ihre Bürger sind jetzt nicht auf sich allein gestellt.

Aus dem Engagement der vielen Sachsen ziehe ich die Zuversicht, dass wir ändern können, was jetzt schief läuft. Und daraus ziehe ich die Zuversicht, dass wir dabei erfolgreich sein werden. Aber es wird ein Prozess und wir brauchen Ausdauer.

Ich habe gelernt, dass sich einige engagierte Bürger allein gelassen fühlen, dass sich Initiativen nicht ausreichend unterstützt fühlen. Einige haben dazu deutlich öffentlich Kritik geäußert. Ich bin für die offenen Worte und den Wunsch nach Dialog dankbar. Ich sehe darin einen Auftrag an Land aber auch an die Kommunen, die Zusammenarbeit mit den Initiativen und Ehrenamtlern zu verbessern.

Dabei scheint es nicht immer nur ums Geld zu gehen. Oft ist es der Wunsch, eine klare Haltung als Rückendeckung zu spüren. Oft ist es aber auch der Wunsch, sich nicht allein zu fühlen. Deshalb wollen wir die Kommunen bei der Vernetzung und Strukturbildung im Ehrenamt unterstützen.

Menschen zusammenzubringen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen: Das sind auch die Ziele unserer laufenden Dialogveranstaltungen.

Ganz klar gibt es für einen Dialog Regeln: Hetze und Fremdenfeindlichkeit sind Ausschlusskriterien. Und wer Menschen angreift und Häuser anzündet hat kein Gespräch verdient sondern eine harte Strafe.

Und wer auf eine Demo geht, muss sich sehr gut überlegen, mit wem er da mitläuft. Wer teilnimmt, der teilt auch das, was gesagt wird!

Auf der anderen Seite schließe ich aber niemanden vom Dialog aus, nur weil er eine andere Meinung hat als ich oder die Meinung nicht der Mehrheit oder der veröffentlichen Meinung entspricht.

Meine Damen und Herren, wir müssen alles tun, damit politische Entscheidungen besser verstanden werden, damit wieder Vertrauen in die Demokratie und die staatlichen Institutionen wächst und

die Zivilgesellschaft durch noch mehr Engagement gestärkt wird. Deshalb wollen wir als Regierung gemeinsam mit den verschiedensten regionalen Partnern mit noch mehr Dialogangeboten im Land präsent sein. Und die Demokratiekonferenz, zu der ich am 30. Mai einlade, wird sich mit politischen Beteiligungsformen beschäftigen.

Meine Damen und Herren, die große Mehrheit in Sachsen ist bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen solidarisch, weltoffen und hilfsbereit. Dafür bin ich dankbar. Ich bin auch dankbar, dass durch die mediale Vermittlung dieser Offenheit gegenüber Fremden das Bild Sachsens komplettiert wird. Diese Beispiele ermutigen.

Es gibt aber auch Mitbürger, die Fragen haben und sich Sorgen machen, die Angst vor Fremden haben – selbst dann, wenn noch kein einziger Asylbewerber im Ort ist. Diese Menschen aufzugeben, sie in eine Ecke zu stellen ist falsch, vielmehr müssen wir alles versuchen, die Angst vor dem Fremden oder der notwendigen Veränderung zu nehmen. In vielen Gemeinden schaffen Bürgermeister, Kirchen- und Vereins- und Behördenvertreter gemeinsam Diskussionsplattformen, zur Information, zur Aufklärung, zum Kennenlernen.

In der Asyl- und Flüchtlingspolitik brauchen wir eine sachliche Debatte darüber wie wir

  • unserer christlichen und humanistischen Pflicht im Rahmen unserer Möglichkeiten gerecht werden.
  • Wie wir zu schnellen Asylverfahren kommen, die für alle Klarheit bringen und
  • wie wir konsequent diejenigen zurückführen, die nicht bleiben dürfen; damit wir die Kraft und Ressourcen haben, denen bei der Integration zu helfen, die bleiben dürfen.

Die Staatsregierung will eine schnelle und für beide Seiten erfolgreiche Integration mit Herz und Verstand ermöglichen. Unsere Rechtsordnung und unsere Werte

anzuerkennen, ist das, was wir von den Menschen einfordern, die bei uns bleiben wollen. Genauso wie das Erlernen unserer deutschen Sprache.

Auf der anderen Seite müssen wir ihnen helfen, zu einer schnellen Teilhabe durch Arbeit und Bildung zu kommen. Auch hier wollen wir unsere Lösungen mit gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen diskutieren und im Dialog weiterentwickeln.

Meine Damen und Herren, so drängend die Herausforderungen sind und bei deren Lösung ein gewisses Tempo wichtig ist: Das darf Gründlichkeit und Nachhaltigkeit nicht ausschließen. Unser Fahrplan steht. Wie bereits angekündigt werden wir am Freitag zu einer außerordentlichen Kabinettssitzung zusammenkommen.

Entscheidungen werden fallen: Ein erstes Handlungsprogramm zur Integration werden wir beschließen. Bewährte Programme und Verfahren werden wir stärken, weniger erfolgreiche neu definieren. Die langfristigen Maßnahmen und deren finanzielle Absicherung werden wir mit dem Haushaltsverfahren für die Jahre 2017 und 2018 beschließen. Wir werden die Voraussetzungen schaffen, Bundes und Landesprogramme bestmöglich zu verzahnen.

Meine Damen und Herren, die Verteidigung unserer Werte, der Kampf gegen Radikalisierung und Fremdenfeindlichkeit sowie eine erfolgreiche Integration – diese Ziele leiten die Arbeit der Staatsregierung und mich persönlich.

Ich bin mir bewusst, dass wir dafür einen langen Atem brauchen. Denn es geht an vielen Stellen um eine überzeugende Haltung und es geht überall um ein entschiedenes und dauerhaftes Handeln.

An diesem Handeln werden wir gemessen. Nur gemeinsam als starker Staat und aktive Bürger werden wir erfolgreich sein.

Ich persönlich bin dazu fest entschlossen und werde nicht nachgeben: Damit Sachsen das ist, was es sein soll, eine gute Heimat für alle und ein weltoffenes Land.

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